Umgekehrte Vorzeichen: Deutschlands Wirtschaftswohl hängt an der ungebremsten heimischen Konsumfreude.
Was ist denn hier los? Ausgerechnet am knausrigen deutschen Verbraucher hängt das Glück der heimischen Industrie? Das passt zumindest insofern, als den Deutschen ohnehin der Ruf vorauseilt, für das Öl, welches ihres Autos Motor schmieren soll, deutlich mehr auszugeben als für jenes Öl, welches sie ihrem eigenen Körper zuführen. Doch wofür sie es auch letztlich ausgeben, die Deutschen scheinen derzeit zumindest mit ihrem Konsum im Reinen zu sein. Wie unser "Chart of the Week" zeigt, war das Verbrauchervertrauen in den letzten Jahren recht stabil, und sogar, man höre und staune, mit insgesamt steigender Tendenz. In der Industrie hingegen ist so etwas wie Katerstimmung nach einer rauschenden (Export-) Party zu spüren. Damit die deutsche Wirtschaft sich in der zweiten Jahreshälfte wie von uns erwartet auch wirklich erholt, muss die gute Stimmung der Verbraucher bis dahin auf die Industrie überschlagen. In dieser Annahme liegt sicherlich etwas Hoffnung, da normalerweise die Industrie den Takt vorgibt, und nicht der Verbraucher oder der Dienstleistungssektor.
Wie sieht's, in aller Kürze, derzeit in der deutschen Industrie aus? (Für eine längere Analyse empfehlen wir die Lektüre unseres Stückes " Deutsche Konjunktur - der Konsum muss es richten ".) Nun, das verarbeitende Gewerbe Europas wird durch verschiedene Faktoren beeinträchtigt. Anhaltendende Handelskonflikte und nachlassendes Wachstum in den Exportmärkten trüben den Ausblick. Politische Unsicherheiten und schwächeres Wachstum wichtiger Handelspartner dürften die Nettoexporte auch noch in den beiden kommenden Jahren belasten. Andere Faktoren sollten dagegen langsam nachlassen. Das sollte schon bald bei den Jahresvergleichen helfen. "Vor allem in der zweiten Hälfte 2018 belasteten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den neuen Abgastests (nach der Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure - WLTP) und der niedrige Rheinpegel das Wachstum", erklärt Dr. Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa der DWS.
Vor allem aber dürfte unserer Einschätzung nach der private Konsum die wirtschaftliche Entwicklung weiter tragen – angetrieben durch den robusten Arbeitsmarkt, Lohnsteigerungen und niedrige Inflationsraten. Der bisherige fiskalische Gegenwind dürfte sich in einen (leichten) Rückenwind wandeln. Auch die privaten Investitionen dürften positiv zum Wachstum beitragen, wenngleich etwas schwächer als in der Vergangenheit. "Unser generelles Bild bleibt intakt (schwächeres Wachstum, keine Rezession), die Parameter haben sich aber etwas verschoben: eine etwas schnellere und kräftigere Abkühlung und perspektivisch eine etwas langsamere Rückkehr zum Potentialwachstum, das wir bei rund 1 bis 1,25 Prozent verorten", so Martin Moryson. "Für 2019 insgesamt erwarten wir Wachstumsraten von 1,3%, 2020 dann 1,4%." Natürlich gibt es jede Menge Risiken, von einem "No-Deal"-Brexit, einer Verschlechterung der Finanzkonditionen, bis zu einer globalen Wachstumsschwäche. Für den Moment bleiben wir diesbezüglich jedoch recht optimistisch.

Quellen: Thomson Reuters Datastream, DWS Investment GmbH; Stand: 16.04.2019
* Consumer Confidence Index (Germany)
** Manufacturing Confidence Index (Germany)