Selbst wenn man in den letzten Monaten das finanzpolitische Geschehen nicht verfolgt hat, wäre man von unseren jüngsten makroökonomischen Prognosen kaum überrascht. Alle Korrekturen unserer Inflations-, Leistungsbilanz- und Wachstumsprognosen fallen sehr bescheiden aus. Für die Vereinigten Staaten haben wir unsere Wachstumserwartungen für 2018 leicht nach oben geschraubt, auf 2,7 Prozent. Dagegen nehmen wir unsere BIP-Wachstumsprognose sowohl für die Eurozone als auch für das Vereinigte Königreich auf 2,2 bzw. 1,4 Prozent zurück. Unsere Prognose für 2019 bleibt unverändert bei 2,4 Prozent für die USA, bei 1,9 Prozent für die Eurozone und 1,6 Prozent für das Vereinigte Königreich.
Diese geringfügigen Änderungen mögen erstaunen. Wachsende Handelsspannungen und die politische Instabilität in der Eurozone sorgen weiterhin für Negativschlagzeilen. Anfang Juni sah es zwischenzeitlich – während der planlosen Bildung der neuen italienischen Regierung – kurz nach einer Rückkehr der Schuldenkrise in der Eurozone aus. Auch in Deutschland und Großbritannien bleibt es innenpolitisch turbulent – was den Weg zu einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik, einer Bankenunion oder einem weichenBrexit[1] nicht leichter macht.
Aber man sollte es auch nicht übertreiben. Die politische Situation in Rom ist seit einiger Zeit instabil und befremdlich. Schon vor den Wahlen im März bestand das Risiko einer Mehrheit für populistische Kräfte in beiden Kammern des Parlaments. Auch war seit langem klar, dass die Eurozone zusätzlich institutionelle Unterstützung benötigt, um auf längere Sicht funktionieren zu können. Wir halten unsere Wachstumsprognose für die Eurozone immer noch für eher vorsichtig – sowohl die Aufwärts- als auch die Abwärtsrisiken sind hier eingeflossen. Die ersten Äußerungen der neuen italienischen Regierung sind recht ermutigend. Italiens neuer Finanzminister Giovanni Tria hat eine Abkehr vom Euro ausgeschlossen. Aufgrund der nach wie vor soliden Wirtschaftsdynamik erscheint es vernünftiger abzuwarten, wie sich die Regierung verhält, bevor wir unsere Prognosen über den Haufen werfen. Bei Deutschland und Frankreich haben wir auch die Auswirkungen der jüngsten Handelsspannungen berücksichtigt.
Aus unserer Sicht sind die Angriffe der Regierung Trump auf den freien Handel, milde ausgedrückt, völlig verfehlt und erschreckend uninformiert. Wie in einem auf unserer Webseite veröffentlichten CIO Special nachzulesen ist, beeinträchtigen sie die längerfristigen Wachstumsaussichten der USA und der gesamten Weltwirtschaft. Für uns liegt auf der Hand, dass die Aushöhlung der auf Regeln basierenden Weltordnung zur Förderung des globalen Handels und die Unterminierung internationaler Angebotsketten allen Beteiligten schaden werden, einschließlich der Schwellenländer. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass dadurch schon bald eine globale Rezession ausgelöst wird. Beim Brexit sehen wir dagegen ermutigende Anzeichen dafür, dass ein harter Brexit[2] vermieden werden kann. Aufgrund der politischen Unsicherheit hat die Europäische Zentralbank (EZB) soeben ihren Weg für die kommenden Quartale vorgezeichnet – erst in der zweiten Jahreshälfte 2019 ist die erste Zinserhöhung zu erwarten. Auch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) will unbedingt Fehler in der Geldpolitik vermeiden. Bislang sind die Anzeichen einer Überhitzung der US-Wirtschaft dünn gesät. Derzeit erwarten wir bis Ende 2019 drei bis vier Zinserhöhungen, sodass die Federal Funds Rate3-3,25 Prozent erreichen könnte
Welche Risiken bestehen nun vor diesem Hintergrund? Das größte könnten die Turbulenzen an den Finanzmärkten sein, die zu einer deutlichen Verschärfung der Finanzbedingungen weltweit führen. Neben den bereits erwähnten möglichen Auslösern gibt es eine Menge anderer Risiken, wie plötzlich hochschnellende Ölpreise, durch erneute Spannungen im Nahen Osten. Eine Lehre lässt sich aus den jüngsten Ereignisse in Italien ziehen: Die Welt ist unsicher und die geldpolitische Unterstützung wird weniger. Bei bereits nervösen Märkten sind die Risiken einer Abwärtsspirale größer als noch vor sechs Monaten.
Rein wirtschaftlich steht Italien besser da als zuvor
In den letzten Jahren erwirtschaftete Italien stets einen Leistungsbilanzüberschuss. Im Vergleich zur wirtschaftlichen Leistung hat sich die Staatsverschuldung stabilisiert.

Quellen: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Bloomberg Finance L.P., Deutsche Asset Management Investment GmbH; Stand: 22.06.2018.
Europa ist nicht ganz so abhängig vom US-Handel
Als prozentualer Anteil am BIP sind Eurozonenexporte relativ wenig direkt von den US-Handelssanktionen betroffen.

Quellen: Eurostat, Bloomberg Finance L.P., Deutsche Asset Management Investment GmbH; Stand: 22.06.2018
1 . Weicher Brexit bezieht sich auf ein Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union, das einen langen und geordneten Übergang sicherstellt und eine plötzliche Unterbrechung der Handelsströme für Waren und Dienstleistungen nach März 2019 vermeidet. Natürlich hängt vieles von den genauen Details des Abkommens ab.
2 . Harter Brexit bezieht sich auf ein Szenario, in dem das Vereinigte Königreich und die Europäische Union bis zum März 2019 keine bindende Vereinbarung für einen geordneten Übergang unterzeichnen. Dies könnte zu einer plötzlichen Loslösung des Vereinigten Königreichs von der Europäischen Union führen, durch die Kapital- und Handelsströme schwerwiegend gestört würden.