Mangelnde "Markt-Guidance", also die Vorbereitung der Märkte auf eine wichtige Ratssitzung, kann man der Europäischen Zentralbank (EZB) diesmal sicherlich nicht vorwerfen. Selten waren sich die Marktteilnehmer so einig, was die Zentralbanker entscheiden würden. Und das, obwohl heute immerhin die erste entscheidende Stufe des Ausstiegs aus dem Anleihekaufprogramm beschlossen wurde. Im Einzelnen gab die EZB bekannt, dass
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die Leitzinsen unverändert bleiben (und somit der Zins für die Einlagefazilität bei minus 0,4 Prozent),
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die monatlichen Anleihekäufe in Höhe von aktuell 60 Mrd. Euro ab Januar 2018 auf 30 Mrd. Euro reduziert werden,
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diese Käufe bis mindestens September 2018 durchgeführt werden,
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sich an den wesentlichen Parametern (Länderschlüssel, Emissionsdeckel) nichts ändert.
Wir erwarten zudem, dass die Anleihekäufe ab September deutlich reduziert und spätestens zum Jahresende eingestellt werden, auch wenn sich die EZB hier alle Optionen offen hält. Die Art und Weise, in der sie das tat, betont unseres Erachtens die Möglichkeit eines Fortbestehens der Käufe etwas deutlicher, als von einigen erwartet wurde. Bundrenditen und der Euro reagierten entsprechend mit Abschlägen, auch wenn sich diese im Mehrtagesvergleich moderat ausnahmen. Die Betonung seitens der EZB, dass die Zinserhöhung auf jeden Fall erst nach dem Auslaufen der Anleihekäufe erfolgen wird, dürfte auch mit der Absicht erfolgen, den Aufwärtsdruck auf den Euro nicht zu erhöhen. Wir rechnen nicht vor 2019 mit einer Zinserhöhung.
So einfach, wie es im Nachhinein scheint, konnte sich die EZB die Entscheidung diesmal dennoch nicht machen. Denn erneut stand sie vor dem Dilemma, dass die Inflationszahlen und -erwartungen niedrig blieben, während sich die Wirtschaft der Eurozone besser als erwartet entwickelte. Allerdings hat sich seit Mitte Juni das Fass Brentöl um 30 Prozent verteuert (in Euro gerechnet immerhin um 22 Prozent), was der Inflation etwas Schwung geben könnte. Auch der Umstand, dass dem im Frühjahr begonnenen Höhenflug des Euro Anfang September die Luft ausging, spielte der EZB in die Hände.
Wir sehen aufgrund der Ratssitzung und der anschließenden Pressekonferenz keine Veranlassung, an unseren Prognosen etwas zu ändern.
Per September 2018 erwarten wir damit einen Renditeanstieg 10-jähriger Bundesanleihen auf 0,8 Prozent. Wir gehen weiter nicht davon aus, dass der Euro seinen Höhenflug über die kommenden Monate fortsetzen wird. Dafür spricht weniger die politische Lage in den USA, als, unter anderem, die Zinsdifferenz zwischen US-amerikanischen und deutschen 2-jährigen Staatsanleihen. Diese hat sich binnen zwei Jahren von 1 auf 2,3 Prozent mehr als verdoppelt.