27. Sep 2023 Renten

Anleihen-Strategie in Zeiten einer inversen Zins-kurve

Lehren aus vergangenen Episoden

Björn Jesch

Björn Jesch

Global Chief Investment Officer
  • In den vergangenen Jahrzehnten kam es immer wieder zu Umkehrungen der Renditekurve
  • Solange die Renditekurven invertiert blieben, lieferten Geldmarktinstrumente die höchsten Renditen
  • Bei einem Anlagehorizont von drei Jahren schnitten Anleger am besten ab, wenn sie in mittelfristige Anleihen investierten, während Anleihen mit langen Laufzeiten bei einem Anlagehorizont von fünf Jahren oder länger am besten abschnitten.

In vielerlei Hinsicht kann man die aktuelle Entwicklung an den Kapitalmärkten als eine Rückkehr zur Normalität verstehen. Vorbei sind die Zeiten von Negativzinsen oder Billionen-schweren Anleihekaufprogrammen der Zentralbanken. Nach einem Jahrzehnt, in dem allenfalls mit kurzen Unterbrechungen so gut wie alle Anlageklassen eine im Langfristvergleich überdurchschnittliche Wertenwicklung aufweisen konnten, bestimmten im Jahr 2022 fast ausnahmslos rote Zahlen das Bild. Als bleibende Folge der scharfen Zinserhöhungen durch die Zentralbanken in Reaktion auf den Inflationsanstieg, weisen Anlagen im Geldmarkt sowie kurzlaufende Anleihen eine höhere Rendite auf im Vergleich zu langlaufenden festverzinslichen Wertpapieren. In diesem CIO-View Special soll der Frage nachgegangen werden, wie sich dieses im historischen Kontext einordnen lässt und welche Schlüsse Investoren aus vergleichbaren Phasen in der Vergangenheit für ihre Anlageentscheidungen ziehen können.


1 / Renditekurven und Laufzeitprämien in der Historie


In der jüngeren Finanzmarktgeschichte wiesen Renditekurven meistens eine positive Krümmung auf. Seit Mai 1976 betrug die durchschnittliche Differenz zwischen der 10-jährigen und der 2-jährigen US-Staatsanleiherendite 0,89 Prozent (siehe Abbildung 1), wobei in über 85 Prozent der monatlichen Beobachtungen eine positive Steigung zu beobachten war.


Abbildung 1: Zinsdifferenz zwischen 10-jährigen und 2-jährigen US-Staatsanleihen

Quellen: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023 Daten vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 2023


Die Auswirkungen positiv geneigter Renditekurven auf die Wertentwicklung von Anlagen in Rentenpapiere sind intuitiv: Im Durchschnitt konnten mit Investitionen in Staatsanleihen mit längerer Laufzeit höhere nominale Renditen erwirtschaftet werden, wobei die durchschnittliche jährliche Wertenwicklung von 20-jährigen und 5-jährigen US-Treasuries seit 1976 um 3,3 Prozent bzw. 2,1 Prozent über denen 30-tägiger T-Bills lag (siehe Abbildung 2).


Abbildung 2: Jährliche Renditen von US-Staatsanleihen

Quellen: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023 DWS-Berechnung vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 2023


Letztlich werden die Renditen festverzinslicher Anlagen, insbesondere von Staatsanleihen, in erster Linie durch das Zinsniveau bestimmt (siehe Abbildung 3).


Abbildung 3: Beitrag der 20-jährigen US-Staatsanleihen zur Gesamtrendite

Quellen: Morningstar Direct, DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023 DWS-Berechnung vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 2023


Da die Rendite-Prämie für längere Laufzeiten in den meisten Fällen positiv ist, begünstigt die Form der Renditekurve im Allgemeinen festverzinsliche Wertpapiere mit längerer Laufzeit. Wie wir im folgenden Abschnitt untersuchen, sind realisierte positive Laufzeitprämien selbst in einem Umfeld mit inversen Renditekurven noch recht konsistent, da sich inverse Renditekurven in der Regel wieder rasch normalisiert haben und die Anleger daher für den Besitz von Anleihen längerer Laufzeit mit höheren Erträgen entschädigt werden.

 

Wertentwicklung von Rentenanlagen im Umfeld inverser Renditekurven


Erfahrungen aus den USA

Seit den 1970er Jahren hat die US-Notenbank sechs Zinserhöhungszyklen durchgeführt, einschließlich des aktuellen Zyklus. Invertierte Renditekurven sind kein Einzelfall und traten in der jüngeren Geschichte während dieser Zinserhöhungszyklen tatsächlich mit einer gewissen Häufigkeit auf. Im Allgemeinen bestanden inverse Renditekurven jedoch selten länger als ein paar Quartale. Die aktuelle Inversion der Renditekurve hat bis jetzt schon über ein Jahr gedauert und ist bereits die längste Periode dieser Art in unserem Beobachtungszeitraum, noch vor der Episode zwischen September 1980 und September 1981.

Zur Veranschaulichung dieser Zeiträume mit inverser Renditekurve vergleichen wir die Rendite der 10-jährigen US-Schatzanleihen mit der Rendite der 2-jährigen US-Schatzanleihen, wobei letztere ein weniger volatiles Maß sowohl für die Höhe der kurzfristigen Zinssätze zu einem bestimmten Zeitpunkt als auch für die Entwicklung dieser Zinssätze in den folgenden zwei Jahren ist. Abbildung 4 zeigt die Renditen der 10-jährigen und 2-jährigen US-Staatsanleihen und hebt die Zeiträume hervor, in denen die 2-jährige Rendite über der 10-jährigen Rendite lag.


Abbildung 4: Renditekurve der US-Schatzpapiere 10-2 und Inversion

Quellen: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023 Daten vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 2023


Für Anleger stellt sich im Umfeld einer inversen Renditekurve die Frage, ob man besser beraten ist, die nominal höheren Zinsen für eine Investition in kurzfristige Wertpapiere zu nutzen, verbunden mit dem Risiko einer Wiederanlage zu schlechteren Konditionen, oder sich lieber eine niedrigere Rendite für eine längere Laufzeit zu sichern. In der Folge soll beleuchtet werden, welche Schlüsse sich aus der historischen Wertentwicklung von kurlaufenden Geldmarktanlagen, von Anlagen in Anleihen mit mittleren Laufzeiten (5 Jahre) sowie in langlaufende Anleihen ziehen lassen. Dabei soll in einem ersten Schritt die Erfahrung mit dem US-Anleihemarkt untersucht werden, in einem weiteren Schritt werden deutsche Bundesanleihen untersucht.

Wie man intuitiv vermuten würde, übertraf während der Episoden mit inverser Renditekurve die durchschnittliche monatliche Wertenwicklung von Anlagen in kurzlaufenden 30-Tage-T-Bills die Wertenwicklung von US-Staatsanleihen mit längerer Laufzeit, obwohl der Unterschied zwischen T-Bills und 5-Jahres-US-Treasuries interessanterweise recht gering ist.


Abbildung 5: Durchschnittliche monatliche Renditen während invertierter 10-2-Perioden

Quellen: Morningstar Direct, DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023 DWS-Berechnung vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 2023


Das Ergebnis der ex-Post Analyse verändert sich hingegen, wenn man einen längeren Anlagehorizont betrachtet. Dabei schwindet dieser Renditeunterschied zwischen kurzfristigen Geldmarktanlagen und längerfristigen Treasuries recht schnell und verändert sich in das Gegenteil. Über gleitende 3-, 5- und 10-Jahreszeiträume zeigen die durchschnittlichen annualisierten Wertenwicklungen von Treasuries mit unterschiedlichen Laufzeiten in Zeiten einer Inversion der Renditekurve eine deutlich höhere durchschnittliche Performance von 5- und 20-jährigen US-Treasuries im Vergleich zu kurzlaufenden 30-Tage-T-Bills.

Angesichts der Erwartung, dass wir uns am Ende des aktuellen Zinserhöhungszyklus befinden, haben wir analysiert, wie sich US-Treasuries mit unterschiedlichen Laufzeiten nach dem Höchststand der kurzfristigen Zinssätze entwickelt haben.


Abbildung 6: Durchschnittliche 3-Jahres-Renditen während invertierter 10-2-Perioden, annualisiert

*durchschnittliche gleitende 3-Jahres-Rendite, annualisiert DWS-Berechnung vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 2023

Quellen: Morningstar Direct, DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023


Abbildung 7: Durchschnittliche 5-Jahres-Renditen während invertierter 10-2-Perioden, annualisiert

*durchschnittliche gleitende 5-Jahres-Rendite, annualisiert DWS-Berechnung vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 2023
Quellen: Morningstar Direct, DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023

Abbildung 8: Durchschnittliche 10-Jahres-Renditen023 während invertierter 10-2-Perioden, annualisiert


*durchschnittliche gleitende 10-Jahres-Rendite, annualisiert DWS-Berechnung vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 2023
Quellen: Morningstar Direct, DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023
 

In unserer Zeitreihe von Mai 1976 bis Juni 2023 gab es - abgesehen von nur kurzfristig aufgetretenen Episoden wie im Sommer 2019 - vier große Phasen der Inversion zwischen Renditen 10- und 2-jähriger US-Treasuries, die in Abbildung 4 dargestellt sind. Ausgehend von dem Punkt, an dem die Spanne zwischen 10- und 2-jährigen Staatsanleihen am negativsten war, ergaben sich die folgenden konsistenten Beobachtungen der Wertenwicklungen für Anlagen in verschiedenen Laufzeiten von Staatsanleihen: Wie Abbildung 9 zeigt, haben US-Treasuries mit längerer Laufzeit nach dem Höhepunkt der Renditekurveninversion über 3-, 5- und 10-Jahres-Zeiträume die Renditen von Schatzanweisungen deutlich übertroffen.

Abbildung 9 Folgerenditen nach dem Höhepunkt der 10-2 inversen Perioden, annualisiert (%)


 

Datum der Spitzeninversion

30-Tage-T-Bills

5-Jahres US-Staatsanleihen

20-jährige US-Staatsanleihen

Nächsten 3 Jahre

2/29/1980

12.00%

17.70%

16.50%

3/31/1989

6.90%

11.40%

12.40%

3/31/2000

3.40%

10.50%

11.20%

11/30/2006

2.20%

7.30%

6.90%

Nächsten 5 Jahre

2/29/1980

10.90%

14.30%

12.20%

3/31/1989

5.40%

10.20%

12.10%

3/31/2000

2.50%

6.70%

8.70%

11/30/2006

1.40%

7.00%

9.40%

Nächsten 10 Jahre

2/29/1980

8.80%

12.70%

13.60%

3/31/1989

5.20%

8.50%

11.00%

3/31/2000

2.60%

6.10%

6.90%

11/30/2006

0.70%

4.20%

6.40%

Quellen: Morningstar Direct, DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.23 DWS-Berechnung vom 31. Mai 1976 bis 30. Juni 2023     

Dabei schnitten bei einem Anlagehorizont von 3 Jahren die mittleren Laufzeiten (US-Treasuries mit 5 Jahren Laufzeit) am besten ab. Verlängert man den Anlagehorizont auf 5 und 10 Jahre, so konnten lange Laufzeiten in der Wertenwicklung aufholen und über die längere Frist sogar die beste Wertenwicklung erzielen.


Markt für deutsche Bundeanleihen

 

Inkludiert man die Zeit vor der Einführung der Europäischen Gemeinschaftswährung in eine Analyse der Renditen für deutsche Bundesanleihen, so waren seit September 1972 drei Inversionsphasen der Renditekurve zu beobachten, einschließlich der aktuellen Episode. Die beiden vorangegangenen Perioden dauerten im Durchschnitt mit etwa drei Jahren relative lange, obwohl die jüngere Periode der Renditekurveninversion nicht durchgängig war, während die derzeitige Inversion der Renditekurve im November 2022 begann. Abbildung 10 zeigt die Zeiträume der Inversion zwischen den 10-jährigen und 2-jährigen Renditen deutscher Bundesanleihen.


Abbildung 10 10-2-jährige Renditekurve deutscher Bundesanleihen und Inversion (%)

Quellen: Deutsche Bundesbank, DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023 DWS-Berechnung von 1976 bis 30. Juni 2023


In den beiden vorangegangenen Perioden der Inversion zwischen 10- und 2-jährigen Bundesanleiherenditen wiesen in den darauffolgenden Zeiträumen von 3-, 5- und 10-jährigen Anleihen mit längerer Laufzeit die bessere Wertentwicklung auf, trotz höherer kurzfristiger Zinsen im Beobachtungszeitraum. Abbildung 11 zeigt die durchschnittlichen annualisierten Renditen von Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten über die verschiedenen Zeiträume.


Abbildung 11 Durchschnittliche annualisierte Wertentwicklung während Perioden einer der inversen Renditekurve (%)

*Jahresrendite DWS-Berechnung vom 30. September 1972 bis 30. Juni 2023

Quellen: Deutsche Bundesbank, DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023

Betrachtet man speziell den Zeitpunkt der stärksten Inversion zwischen der 10-jährigen und der 2-jährigen Renditen bei deutschen Bundesanleihen, so wiesen ähnlich der US-Erfahrung mittel- bis langfristige Anleihen in den nachfolgenden 3-, 5- und 10-jährigen Renditen eine höhere Wertenwicklung auf im Vergleich zu kurzfristigen Anlagen.

 

Abbildung 12 Folgerenditen nach dem Höhepunkt der inversen 10-2 Perioden, annualisiert (%)                  

 

 

Datum der Spitzeninversion

2-jährige deutsche Bundesanleihen

5-jährige deutsche Bundesanleihen

20-jährige deutsche Bundesanleihen

Nächsten 3 Jahre

8/31/1981

11.77%

13.57%

13.44%

7/31/1992

8.70%

10.03%

9.49%

Nächsten 5 Jahre

8/31/1981

10.60%

13.16%

14.46%

7/31/1992

7.79%

10.36%

10.77%

Nächsten 10 Jahre

8/31/1981

7.86%

8.78%

8.84%

7/31/1992

6.00%

7.76%

8.70%

Quellen: Deutsche Bundesbank, DWS Investment GmbH; Stand: 20.09.2023  DWS-Berechnung vom 30. September 1972 bis 30. Juni 2023                                                                                             

 

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