Unser seit längerem bestehendes strategisches Kursziel von 1,15 Dollar je Euro ist schneller als gedacht erreicht worden. In nur knapp sechs Wochen hat sich der Dollar von 1,24 auf 1,15 je Euro verteuert. In den ersten Wochen war der wesentliche Treiber, die von uns als übertrieben empfundene Dollarschwäche des ersten Quartals. Zuletzt dominierte jedoch die Euroschwäche die Entwicklung des Währungspaares. Diese ging mit einer drastischen Ausweitung der Risikoaufschläge auf die Renditen der Peripherie-Staatsanleihen, besonders der Italiens, einher.
Auslöser für die Schwäche vieler europäischer Risikoanlagen und der Stärke von Kernländer-Staatsanleihen (die 10-jährige Bundrendite ging in weniger als zwei Wochen von 0,64 auf 0,28 Prozent zurück) dürften in erster Linie die Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung in Italien sein. Deren Dynamik bleibt unvorhersehbar. Das gilt auch für das mögliche Ansteckungsrisiko weiterer Länder der Eurozone, und darüber hinaus. Vor diesem Hintergrund haben wir das Risiko in vielen Anlageklassen reduziert:
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Währungen: Unser strategisches Ziel, das wir im April auch taktisch implementiert hatten, von 1,15 Dollar je Euro, haben wir zwar erreicht, doch könnte unserer Meinung die Euro-Skepsis und der Status des Dollars als sicherer Hafen, den Dollar noch weiter zulegen lassen. Wir überarbeiten unsere strategische Ausrichtung und in Kürze werden wir, anlässlich unserer vierteljährlichen Strategiekonferenz, die Zielmarke neu formulieren.
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Aktien: Europäische Aktien nehmen wir taktisch auf Neutral herunter und warten auf bessere Einstiegskurse, da wir auf Basis unseres positiven Wirtschaftsausblicks für Europa strategisch weiter positiv eingestellt sind.
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Anleihen: Bei Italienischen Staatsanleihen sind wir zu Wochenanfang skeptischer geworden. Bei europäischen Unternehmensanleihen sind wir sowohl im Investment-Grade- als auch im Hochzinsbereich in der vergangenen Woche auf Neutral gegangen.
Wir gehen davon aus, dass Italiens Politik die Kapitalmärkte noch über den ganzen Sommer hinweg beeinträchtigen könnte. Für die Nervosität der Anleger spielt es dabei sicherlich auch eine Rolle, dass die Europäische Zentralbank (EZB) weniger Spielraum haben dürfte, auf weitere Marktturbulenzen zu reagieren.
Doch in erster Linie wird jetzt in Rom entschieden, ob die Sorgen über strukturelle Schwächen der Eurozone im Sommer an Dynamik gewinnen. Natürlich ist das Bestehen solcher Schwächen nichts Neues – ebenso wenig wie politische Unsicherheit in Italien. In unserem Kernszenario gehen wir von Neuwahlen aus, da vor allem die Lega daran ein Interesse haben dürfte. Italienische Meinungsumfragen sind zwar mit Vorsicht zu genießen, allerdings sprechen die jüngsten für deutliche Zugewinne der Lega. (Bezüglich italienischer Meinungsumfragen verweisen wir auf unseren Ausblick auf die letzten Wahlen "Italien: Irrungen und Wirrungen" .
Der Großteil der Italiener steht dem Euro weiter positiv gegenüber. Aber die Ereignisse der letzten Woche zeigen, wie hoch das Risikopotenzial für die gemeinsame Währung ist. Der Wahlkampf könnte zu einem Plebiszit über die Eurozone und den Euro werden. Zusätzlich dürften unserer Meinung nach die populistischen Parteien wieder von anderen Themen profitieren. Die Flüchtlingskrise, die als überzogen wahrgenommenen Einmischungen aus Brüssel, Paris und Berlin, sowie die Skepsis gegenüber den etablierten Parteien seien hier genannt.
Unabhängig von der Frage nach Neuwahlen, könnte der 28./29. Juni ein wichtiges Datum für Italien werden. Dann treffen sich Europas Regierungschefs auf dem EU-Gipfel, auf dem auch Italien ein prominentes Thema sein dürfte. Allerdings kann sich bis dahin noch einiges tun – in Italien, wie auch an den Märkten. Die politische Landschaft Italiens sieht heute auch nicht so anders als im Februar aus. Damals hatten wir vor einem möglichen Sieg der Populisten gewarnt. Die Unsicherheit ist nach wie vor hoch. Wie bei politischen Ereignissen üblich, gilt das aber in beide Richtungen – positive Überraschungen sind ebenso möglich wie negative.