07. Okt 2022 Global

Investmentampeln

Unsere monatliche Marktanalyse und Positionie-rung

  • Auch im September zeigte sich der Markt für Anleger von seiner hässlichen Seite, sowohl mit Renten als auch mit Aktien ging es weiter bergab, bei weiterhin hoher Volatilität.
  • Die Turbulenzen am britischen Kapitalmarkt haben gezeigt, dass Anleger in Zeiten hoher Inflation, hoher Zinsen und restriktiver Zentralbanken wieder auf die makroökonomischen Rahmendaten der Staaten gucken.
  • Wir denken, dass die Inflation in Europa ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat und sich zudem noch nicht alle negativen Auswirkungen der so schnell gestiegenen Zinsen gezeigt haben. Doch wenn man nur mit einer leichten Rezession rechnet, kann man nach den Marktkorrekturen auch gute Anlagemöglichkeiten finden.

1 / Marktüberblick

1.1   Großbritannien: Ausreißer oder typisches Beispiel?

Bei allem, was im vergangenen Monat rund um den Globus passierte, stand der September doch vor allem im Bann des Vereinigten Königreichs. Vereint wie selten zeigte es sich beim Thronwechsel, gespalten, wie spätestens seit dem Brexit in auffälliger Regelmäßigkeit, zeigte sich die Tagespolitik. Wobei es für die jüngsten Gräben noch nicht einmal der Opposition bedurfte. Die seit dem 6. September gegen den Willen der konservativen Parlamentsabgeordneten, aber dank der Stimmen der Parteibasis amtierende Premierministerin Liz Truss hat nicht einmal einen Monat gebraucht, um zusammen mit ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng den Antrittsbonus in einen Malus zu drehen, seitdem brodelt es in der Konservativen Partei. Im Anschluss an die Veröffentlichung des „Mini“- Budgets schossen die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen (Gilts) von 3,5 auf über 4,5 Prozent in nur drei Handelstagen, bevor die Bank of England (BoE) sich zum Eingreifen gezwungen sah. Ihr (zumindest laut Ankündigung) unlimitierter Aufkauf 30-jähriger Gilts half auch, das Pfund zu stabilisieren, was zwischenzeitlich auf den tiefsten Stand gegenüber dem Dollar (GBPUSD: 1,035) in seiner Geschichte gerutscht war. Der Nachtragshaushalt überraschte selbst konservative Politiker, da er breite Entlastungen der Top-Verdiener und Unternehmer vorsah, keine Gegenfinanzierung präsentierte und optimistisch mit einem mittelfristigen Wachstum in Höhe von 2,5 Prozent dank dieser Politik rechnete. Der Chefökonom der Financial Times gab ein harsches Urteil über die neue Regierung ab: “These people are mad, bad and dangerous. They have to go“[1]

Doch es war wohl das gesamte Umfeld, das dazu beitrug, dass Kwarteng dieses Budget so um die Ohren flog. Natürlich war das Pfund schon länger schwach, die britische Inflation schon länger hoch und die Zinsen seit Anfang August im steilen Höhenflug. Dazu kam eine BoE-Sitzung einen Tag vor Kwartengs Rede, die in einer Leitzinserhöhung von nur 50 Basispunkten mündete (EZB und Fed hatten um 75 Basispunkte erhöht). Zudem hielt die BoE an ihrem Plan fest, ihren Anleihebestand in Kürze runterzufahren (im Rahmen des „Quantitative Tightening“ war der Abbau von rund zehn Prozent des Portfolios, etwa 80 Milliarden Pfund, geplant). Da die Gilt-Renditesprünge sofort auf andere europäische und amerikanische Staatsanleihen übergriffen, ist die Vermutung nicht abwegig, dass es den Anlegern nicht nur um das handwerklich missglückte britische Budget ging, sondern dass sie befürchteten, Großbritannien könnte beispielhaft für die Sorgen all jener Länder stehen, die über viele Jahre eine lockere Geldpolitik genossen und nun hohe Inflationsraten zu bekämpfen haben. Und denen nun weiter steigende Staatsschulden blühen, da der sogenannten Lebenshaltungskostenkrise vielfach mit fiskalischen Hilfspaketen begegnet werden soll. Anders ausgedrückt: spätestens seit September müssen sich Politiker damit abfinden, dass Budgetdefizite und staatliche Schuldenquoten vom Kapitalmarkt wieder strenger beäugt werden. Die englischen Medien sprechen vom Comeback der „Bond Vigilantes“, was man frei als „Rückkehr der Rächer der Anleihebesitzer“ übersetzen könnte. Zu spüren bekam das auch Italiens neue Regierung in Spe, der man wohl nicht zu nahetritt, wenn man sie rechts-populistisch und EU-skeptisch nennt. Der Risikoaufschlag auf Italiens Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen schoss auf den höchsten Stand seit Anfang 2020, trotz eifriger Aufkäufe durch die EZB. Wenn nun aber Zentralbanken anfangen, nicht nur die Zinsen zu erhöhen, sondern Anleihen zu verkaufen, statt zu kaufen, kann sich das zu einer gefährlichen Mischung entwickeln. 

1.2 Schlechtes Quartal, schlechter Monat, schlechte Woche

Der Monat September ging mit einem Knall zu Ende, sowohl bei Aktien, Anleihen als auch so gut wie allen Währungen, die nicht Dollar hießen. Das Quartal war zweigeteilt. Bis Mitte August erfreute sich die Bärenmarktrally noch guten Schwungs, doch dann kippte die Stimmung, und sowohl Aktien als auch Anleihen fielen auf neue Tiefs. Dass dabei auf globaler Ebene Anleihen mit rund sieben Prozent im Gesamtquartal genauso viel verloren wie Aktien, dürfte für sicherheitsorientierte Anleihebesitzer nur ein schwacher Trost sein. Das Annus Horribilis will für sie einfach nicht vorüber gehen – seit Jahresanfang hat der Bloomberg Global Aggregate Bond Index ein Fünftel an Wert verloren. Angesichts des vorigen geringen absoluten Renditeniveaus, der ungebrochen hawkishen Zentralbanker und der immer noch nach oben überraschenden Inflationszahlen kann das aber auch nicht wirklich verwundern. Die Eurozone verbuchte die erste zweistellige Inflationsrate in ihrer Geschichte – 10,0 Prozent Verbraucherpreisinflation für September – und in den USA will die Kerninflation einfach nicht runtergehen – im August stieg sie von 5,9 auf 6,3 Prozent an. Bei diesen Zahlen ist es verständlich, dass die Anleger schlechte Makro-Zahlen stets mit einem weinenden und einem lachenden Auge sehen, hoffen sie doch, dass sich eine schwächere Wirtschaftstätigkeit in niedrigeren Inflationszahlen niederschlägt. So sorgten zum Anfang des Monats Oktober schwache Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe (Aufträge und Beschäftigungskomponente) in den USA für Optimismus an den Märkten. In der Breite ist am Arbeitsmarkt jedoch immer noch recht wenig vom Abschwung zu erkennen, weder in den USA noch in Europa.

Kommen wir zu den bemerkenswertesten Kursschwankungen im September: 2- und 10-jährige Bundesanleiherenditen sprangen beide über zwei Prozent. Inflationsindexierte 10-Jährige wagten sich kurz ins positive Terrain, womit es also erstmals seit 2014 wieder real was zu verdienen gab. Auch andere 10-Jährige machten von sich reden: die italienischen und britischen sprangen über 4,5 Prozent Rendite, die US-amerikanischen schafften „nur“ 3,99 Prozent, dafür gab es für die 2-Jährigen schon mal 4,3 Prozent. Hoch hinaus ging es auch für den Dollar, der es im dritten Quartal zwischendurch auf ein Plus von fast zehn Prozent brachte[2]. Nicht zuletzt haben auch Unternehmensanleihen im September noch einmal einen guten Sprung bei ihren Renditen gemacht: Für Anleihen ohne Investmentstatus gibt es mittlerweile in den USA fast zehn und in Europa über 8,5 Prozent. Das könnte angesichts der Nervosität der Anleger noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.

2 / Ausblick und Änderungen

Wir bleiben aus taktischer Sicht zunächst weiter vorsichtig bei den meisten Anlageklassen, auch wenn wir davon ausgehen, dass auf 12-Monatssicht positive Renditen erzielbar sein sollten. Wie wir es bereits im ersten Halbjahr vermutet hatten, präsentiert sich das zweite Halbjahr als sehr herausfordernd. Die Nervosität der Anleger, die unserer Meinung nach noch für einige Zeit für volatile Märkte und für neue Tiefs sorgen kann, speist sich aus mehreren Quellen: 1) Nach wie vor die Ungewissheit über die Hartnäckigkeit der Inflationsraten und der sich daraus ergebenden Reaktionen der Zentralbanken. Dass diese die Zinsen möglichst schnell an ihr vermeintliches Hoch für diesen Zinszyklus heben wollen, ist mittlerweile Marktkonsens. Als nächstes geht es um die Frage, wann sie die Zinserhöhungen stoppen, und wann die Zentralbanker wieder ihren Kurs drehen. 2) Im Ukraine-Krieg muss man sich trotz, beziehungsweise sogar wegen der militärischen Etappensiege der Ukrainischen Armee sich zunehmend Gedanken über die möglichen Reaktionen Moskaus Sorgen machen. 3) Die nun beginnende Berichtssaison dürfte unserer Meinung nach dazu führen, dass die Konsensschätzungen für 2023 weiter reduziert werden. 4) Und nicht zuletzt dürften die zuletzt rasant gestiegenen Zinsen und Anleiherenditen ihre volle Wirkung auf Wirtschaft und Haushalte erst noch entfalten. Sie können aber auch zu Turbulenzen auf Teilen der Kapitalmärkte führen.

 

2.1 Anleihen

Die Turbulenzen am Anleihemarkt im September haben wir uns weitgehend von der Seitenlinie angeschaut. Wir gehen tendenziell weiter von leicht steigenden Staatsanleiherenditen vor allem am kurzen Ende aus, da unserer Meinung nach die Anleger immer wieder zu früh auf eine Kehrtwende der Zentralbanken setzen, oder einzelne Signale überinterpretieren (wie z.B. die Intervention der BoE oder die geringer als gedachte Zinserhöhung der Royal Bank of Australia). Gleichzeitig sind die Renditen aber schon den größten Teil in Richtung unserer strategischen Ziele gegangen. Bei Unternehmensanleihen sind wir taktisch etwas vorsichtiger geworden und haben in Europa das „Investment-Grade“ Segment runtergestuft. Im Angesicht des unserer Meinung nach in eine Rezession übergehenden Zyklus, risikoaverser Anleger und dem Fernbleiben der EZB als preisinsensibler Käufer könnten wir uns weiter steigende Renditen (und damit fallende Preise) vorstellen. Auch die Schwellenländeranleihen leiden unter der Risikoaversion der Anleger, die zudem wegen des starken Dollars und den hohen Renditen am US-Markt diese Region meiden. Allerdings denken wir gleichzeitig, dass der Dollar nach seiner starken Rally mindestens eine Verschnaufpause einlegen könnte. Kurzfristig sehen wir vor allem den Euro in der Lage, wieder Boden gegen den Dollar gutmachen zu können.  

 

2.2 Aktien

Im Aktiensegment haben wir weder geographisch noch sektorale Änderungen vorgenommen. In die angehende Berichtssaison gehen wir mit gemischten Gefühlen. Einerseits sollten sie den Anlass liefern, dass die Analysten ihre Gewinnschätzungen für 2023 weiter nach unten revidieren, andererseits könnten einige Unternehmen auch Zahlen liefern, die solide genug sind, um die zuletzt sehr risikoaversen Aktienmärkte positiv zu überraschen. Aus taktischer Sicht könnten noch andere Faktoren für einen stärkeren Herbst sprechen (außer der historisch ohnehin vorteilhaften Saisonalität). Zum einen der laut Umfragen und ausweislich der Positionierung an den Derivatemärkten hohe Pessimismus institutioneller Anleger. Zum anderen korreliert die Bewertung der Aktienmärkte (gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis) eng (negativ) mit der Volatilität der Aktienmärkte und der Realrendite. Weder Volatilität noch Realrenditen dürften sich aber weiter so dynamisch weiter nach oben bewegen, sie sollten mittelfristig sogar drehen, so dass sich auch der bisherige Gegenwind bestenfalls in einen Rückenwind drehen könnte. Das sollte aber nicht über die fundamentalen Schwierigkeiten hinwegtäuschen, die sich im Rahmen einer aufziehenden Rezession ergeben. Dazu kommt der Umstand, dass angesichts der Renditerallys im Rentenbereich Aktien nicht mehr „alternativlos“ sind, wie vor kurzem noch vielfach propagiert.

2.3 Alternative Anlagen

Die Diszipliniertheit der OPEC+ Gruppe sowie die Aussicht auf eine baldige Wiederauffüllung der strategischen Ölreserven der USA, nachdem deren Leerung lange den Markt geflutet haben, sprechen unseres Erachtens dafür, dass der Ölpreis bis Jahresende beim jetzigen Niveau gestützt wird. Gold ist seit März unter Druck geraten, was nicht nur auf den starken Dollar zurückzuführen ist, sondern auch auf den deutlichen Anstieg der realen Zinsen. Diese Faktoren dürften sich zumindest stabilisieren, doch neue Impulse gehen davon für Gold auch nicht aus.

3 / Rückblick auf wichtige Anlageklassen


Gesamtertrag seit Jahresbeginn und im vergangenen Monat

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Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.

Quellen: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand: 30.09.2022

4 / Taktische und strategische Signale


Die folgende Übersicht veranschaulicht unsere kurz- und langfristige Positionierung.

4.1 Anleihen

Rates

1 bis 3 Monate

bis Sep 2023

US-Staatsanleihen (2 Jahre)    
US-Staatsanleihen (10 Jahre)    
US-Staatsanleihen (30 Jahre)    
Deutsche Bundesanleihen (2 Jahre)    
Deutsche Bundesanleihen (10 Jahre)    
Deutsche Bundesanleihen (30 Jahre)    
UK-Staatsanleihen (10 Jahre)    
Japanische Staatsanleihen (2 Jahre)    
Japanische Staatsanleihen (10 Jahre)    

Spreads

1 bis 3 Monate

bis Sep 2023

Spanien (10 Jahre)[3]    
Italien (10 Jahre)[3]    
US-Investment-Grade-Anleihen    
US-Hochzinsanleihen    
EUR-Investment-Grade-Anleihen[3]    
EUR-Hochzinsanleihen[3]    
Asien-Unternehmensanleihen    
Schwellenländer-Unternehmensanleihen    
Schwellenländer-Staatsanleihen    

Besicherte & spezielle Bonds

1 bis 3 Monate

bis Juni 2023

Covered Bonds[3]    
US-Kommunalanleihen    
US-Mortgage-Backed-Securities    

Währungen

EUR vs. USD    
USD vs. JPY    
EUR vs. JPY    
EUR vs. GBP    
GBP vs. USD    
USD vs. CNY    
 

4.2 Aktien

Regionen

1 bis 3 Monate[4]

bis Sep 2023

USA[5]    
Europa[6]    
Eurozone[7]    
Deutschland[8]    
Schweiz[9]    
Vereinigtes Königreich (UK)[10]    
Schwellenländer[11]    
Asien ex Japan[12]    
Japan[13]    

.

Sektoren

1 bis 3 Monate[4]

Basiskonsumgüter[14]  
Gesundheit[15]  
Kommunikationsdienstleistungen[16]  
Versorger[17]  
Zyklische Konsumgüter[18]  
Energie[19]  
Finanzwerte[20]  
Industrie[21]  
Informationstechnologie[22]  
Grundstoffe[23]  

Anlagestil

1 bis 3 Monate

Nebenwerte USA[24]    
Nebenwerte Europa[25]    
 

4.3 Alternative Anlagen

1 bis 3 Monate[4]

bis Sep 2023

Rohstoffe[26]    
Öl (WTI)    
Gold    
Infrastruktur    
Immobilien (gelistet)    
Immobilien (nicht-gelistet) APAC[27]  
Immobilien (nicht-gelistet) Europa[27]  
Immobilien (nicht-gelistet) USA[27]  

4.4 Legende

Taktische Sicht (1 bis 3 Monate)

  • Die taktische Sicht basiert auf der Kursentwicklung der Anleihen.
  •   Positiver Ausblick
  •   Neutraler Ausblick
  •   Negativer Ausblick

Strategische Sicht bis September 2023

  • Bei Staatsanleihen basiert die strategische Sicht auf der Kursentwicklung der Anleihen.
  • Bei Unternehmensanleihen, besicherten und speziellen Bonds sowie Schwellenländer-Anleihen in US Dollar beziehen sich die Signale auf einen optionsadjustierten Spread zu US-Staatsanleihen. Bei in Euro denominierten Anleihen handelt es sich um den Spread zu Bundesanleihen. Die Entwicklung des Spread sowie die Zinsentwicklung bei Staatsanleihen beeinflussen den Anleihewert. Investoren, die rein von der Entwicklung des Spread profitieren wollen, müssen sich gegen das Zinsänderungsrisiko absichern.
  • Die Farben signalisieren das Ertragspotenzial für Long-Only-Investoren
  •   Positives Ertragspotenzial
  •   Die Gewinnchancen, aber auch das Verlustrisiko sind eher begrenzt
  •   Negatives Ertragspotenzial

 

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